Grauer Star – Wissen

Grauer Star – Krankheitsbild und Behandlungsmethoden

DDr. Kocmut bietet langjährigen Erfahrung im operieren des grauen Stars.

Erläuterungen zum grauen Star von Dr. W. Bockelmann (Augenarzt und Journalist):

Das Wort „Star“ hat natürlich nichts mit dem Vogel gleichen Namens zu tun, sondern leitet sich von dem Mittelhochdeutschen „stara plint“ ab, d.h. Erblindung durch das Erstarrte. Man hielt die Trübung für „herabgeflossenen Gehirnschleim“. Die Araber nennen den Star heute noch „weißes Wasser“. Man wußte damals noch nicht, daß dies eine Trübung der Augenlinse darstellt, selbst wenn schon 1550 v. Chr. in dem „Papyros Ebers“ umfangreiche Abhandlungen über die Augenkrankheiten niedergeschrieben wurden. Rund 3000 Jahr später erschien 1583 das erste augenärztliche Lehrbuch von Georg Bartisch (1536-1606). Es enthält eine reich bebilderte Darstellung der in der Renaissance üblichen Augenchirurgie, so unter anderem die Extraktion von metallenen Fremdkörpern mit Magneten oder die Entfernung eines Auges. Erst seit der Mitte des 17. Jahrhundert wußte man, daß der Sitz des Grauen Stares die getrübte Linse (Krystall) ist. Jaques Daviel (1696 – 1762) behandelte erstmals den Grauen Star 1753 durch die Entfernung der Linse, was bis dahin nur den berühmt-berüchtigten Nichtärzten, allen voran Johannes Andreas Eisenbart, vorbehalten war.

Im Mittelalter zogen sogenannte Starstecher mit den Jahrmärkten von Dorf zu Dorf. Gerade Frankfurt am Main hat neben seiner großen Bedeutung als Handels- und Messeplatz sowie als Krönungsstadt der deutschen Kaiser schon früh die Virtuosität namhafter Augenoperateure als „Starstecher“ auf dem Roßmarkt kennengelernt. Die Überleitung zu subtileren Operationsverfahren erfolgte in der Zeit der Aufklärung. Keine Schilderung einer Star-Operation ist bis heute treffender, aktueller und besser beobachtet und beschrieben als die, welche Goethe im Jahre 1775 in Frankfurt am Main in einer meisterlichen Weise in seinem Werk „Dichtung und Wahrheit“ im 16. Buch niedergelegt hat. Goethes scharfsinniger Bericht über die Operation des Johann Heinrich Jung-Stilling, einem bekannten Augenarzt, Theologen, Schriftsteller und Professor der Kameralwissenschaft an der Philipps-Universität in Marburg, kann uns einiges Nachdenken und Bewundern abnötigen. Er beschreibt hier die Operation an dem durch Grauen Star erblindeten Herrn von Lersner. Dieser hatte von Jung-Stilling gehört, daß er „seit einigen Jahren mit gutem Mut und frommer Dreistigkeit viele Staroperationen vollbracht hat. Redlichkeit seiner Seele, Zuverlässigkeit seines Charakters und reine Gottesfurcht bewirkten in ihm ein allgemeines Zutrauen“. In ausführlichen Worten schilderte Goethe nun den Ablauf der Operation, die jedoch entgegen den Erwartungen nicht gelungen ist, weil die Linse „angewachsen“ war und der Operateur sie mit einiger Gewalt ablösen mußte. Nach heutiger Kenntnis darf man vermuten, daß es sich hier um einen sogenannten komplizierten Grauen Star gehandelt hat, bei dem Verwachsungen zwischen Linse und Iris vorlagen, die ein einfaches „Starstechen“ verhindert haben. Im Gegensatz zu den bis heute üblichen Gepflogenheiten hatte Jung-Stilling sich an diesem Tage überreden lassen, beide Augen gleichzeitig zu operieren. So mußte es bei der beiderseitigen Erblindung bleiben: „und wie wir uns auch verständigen mochten, wir gelangten doch nur auf das vernünftig notwendige Resultat, daß Gottes Ratschlüsse unerforschlich seien“.

Wegen des Grauen Stares, sei er nun angeboren oder durch Verletzung bzw. Erkrankung erworben, braucht heute niemand mehr zu erblinden. Die Entfernung der getrübten Linse (Star-Operation) ist zu einer Routineoperation geworden, vergleichbar mit der Entfernung des Blinddarms. Mit verschiedenen Techniken kann die Linse aus dem Auge entfernt werden. Nach der Operation wird zur Korrektur der nun fehlerhaften Augenoptik eine Starbrille oder Kontaktlinse als Linsenersatz angepaßt. In der neueren Operationstechnik hat sich das Einsetzen von Linsen in das Auge zur Standardmethode entwickelt. Die erste technisch einwandfreie Linsenimplantation erfolgte 1949 durch den englischen Augenarzt Harold Ridley. Man hatte nämlich beobachtet, daß bei englischen Bomberpiloten, deren Kanzel zerschossen war, die Plexiglassplitter völlig reizlos in den Augen einheilten und auch später keine Beschwerden verursachten. So stellte man die ersten Intraokularlinsen aus MMA (Methylmethacrylat) her. Da sie jedoch im Auge nicht verankert waren und keinen festen Halt fanden, gab es bald Komplikationen, so daß ein großer Teil der Linsen später wieder entfernt werden mußte. Erst 1959 verankerte der holländische Augenarzt Binkhorst eine derartige Linse mit zwei paarigen Bügeln an der Iris, wo er die „Vorderkammerlinse“ richtiggehend einknöpfte. Diese irisgetragene Cliplinse ist heute aber auch schon wieder verlassen worden und man bevorzugt bei der Implantation die „Hinterkammerlinse“, die optisch bessere Ergebnisse liefert. Lediglich bei der nachträglichen Einpflanzung einer Linse werden andere Techniken bevorzugt. Die Hinterkammerlinse erfordert einen hohen technischen Standard des Operationsteams, die Vorderkammerlinse ist einfacher und schneller einzusetzen. Auch aus diesem Grunde wird letztere Technik in USA bevorzugt, wo man von Februar 1982 bis Februar 1983 fast 500.000 Linsen implantiert hat, und das mit weiter steigender Tendenz. Mit dem Blick auf die Staaten muß allerdings auch an die kommerzielle Seite gedacht werden, die Industrie möchte möglichst viele Linsen verkaufen, die Patienten wollen möglichst kurz in der Klinik blieben, da sie meist privat bezahlen müssen. Glücklicherweise hat sich diese Betrachtungsweise bei uns noch nicht durchgesetzt. Hierzulande kann man als Patient erwarten, daß einem stets die optimale Lösung angeboten wird. Und dies ist z. Zt. die Hinterkammerlinse, die hinter der Iris plaziert ist und rückwärts durch die hintere Schale der eigenen Linse zum Glaskörper hin abgestützt wird. Aus diesem Grunde wird die trübe Linse zuvor „extrakapsulär“ entfernt, d.h., daß ihre hintere Kapsel stehen bleibt. Nach einer intrakapsulären Operation kann eine derartige Linse nicht implantiert werden. Nachträgliche Implantationen sind grundsätzlich möglich, müssen aber von Fall zu Fall entschieden werden. Ebenso kann erst während der Operation endgültig festgestellt werden, ob eine Linse eingepflanzt werden wird bzw. kann. Es darf also nicht verkannt werden, daß die endgültige Entscheidung erst während der Operation erfolgen kann. Der Laie sollte dies zur Kenntnis nehmen.

Zur Korrektion der nach einer Staroperation vorhandenen Fehlsichtigkeit (Übersichtigkeit von +13,0 dpt) können natürlich auch Kontaktlinsen in ihren verschiedenen Ausführungen ebenso wie Starbrillen eingesetzt werden. Über die diesen Systemen eigenen Probleme ist weiter unten kurz berichtet.

Intraokularlinsen stellen eine optimale Korrektur besonders für ältere Menschen dar, weil die dicken Stargläser wegen ihres hohen Gewichts unangenehm zu tragen sind, unschön aussehen, Gesichtsfeldbegrenzungen und Druckstellen auf der Nase verursachen, Kontaktlinsen aber andererseits eine gewisse Übung im Hantieren (Ein- und Aussetzen) verlangen. Die künstlichen Linsen dagegen verbleiben ständig im Augeninnern und bedürfen somit keinerlei Pflege oder Aufmerksamkeit mehr. Sinnigerweise kann man aber auch hier schon von älteren derartigen Versuchen ausgerechnet in den Erinnerungen von Casanova nachlesen. In Warschau traf dieser einen Italiener namens Tadini, der in einer Schachtel kleine, blankpolierte gläserne Linsenkügelchen bei sich trug. Er behauptete, Meister darin zu sein, diese anstelle der menschlichen Linse in das Auge einsetzen zu können. Es erscheint fraglich, ob er es je getan hat, bei einem späteren Treffen in Barcelona zeigte er sich aber von der Zukunft dieser Methode immer noch überzeugt. Der erste bekannte Versuch einer Linseneinpflanzung ist von Casaamata gegen 1793 berichtet. Seine gläserne Linse, deren optische Berechnung natürlich noch nicht möglich war, fiel jedoch schon bei der Operation infolge des zu hohen Gewichts „auf den Boden des Auges“. Erst der heutigen Technik der Kunststoffe, Verankerung der künstlichen Linsen an der Iris mit kleinen Beinchen und Stegen, Berechnung der optischen Daten durch Computer usw. ist die Lösung dieser Frage endgültig gelungen.

Voraussetzung für die Einpflanzung einer Intraokularlinse ist natürlich, daß die trübe Linse weitestgehend entfernt wurde. Deshalb hier eine kurze Schilderung der verschiedenen Operationsmethoden. Durch Einführung des Kokains in die Betäubung der Hornhaut konnte die von Albrecht von Graefe eingeführte Technik des Starschnittes weiter verbessert werden, so daß in den 20er Jahren Elschnig in Prag die erste „intrakapsuläre Staroperation“ ausführen konnte, bei der die Linse komplett mit ihrer Kapsel entfernt wurde. Dies bedeutete die Vermeidung des die Sehleistung oft beeinträchtigenden Nachstars, der bei der „extrakapsulären“ Operation fast die Regel war und eine Nachstardurchtrennung als zweiten Eingriff erforderte. Doch die Technik stand nicht still. Neben der Einführung der Mikrochirurgie erfand man Saug-Spülgeräte, mit denen die zuvor durch Ultraschall zertrümmerte Linse abgesaugt werden konnte. Heute kann man in dem Auge bei erhaltener Vorderkammer saugen, spülen und sogar schneiden. Natürlich hat auch der Laser zu neuen Operationsmethoden beigetragen.

Bei der extrakapsulären Operation wird die trübe Linse mit verschiedenen Techniken entfernt, ursprünglich wurden Kern und Rindenmassen durch den Starschnitt herausmassiert (=Expression). Heute wird die Linse zunächst mit Ultraschall zertrümmert und ihre Reste dann abgesaugt. Die hintere Linsenkapsel bleibt als Abschottung gegen den Glaskörperraum erhalten. Da an der Hinterkapsel aber ständig neue Linsenfasern gebildet werden, kann es auch hier zu Nachstar kommen oder Kapselreste können schrumpfen und den Blick wieder trüben. Derartige Membranen können heute mit Hilfe des gepulsten Nd-Yag-Lasers unblutig durchtrennt werden, eine sehr elegante Methode, bei der es durch das Überschreiten einer bestimmten Energieschwelle des eingestrahlten Lichtes zu einer explosionsartigen Plasmabildung kommt, die das Gewebe zerreißt und Lücken in den Nachstarmembranen schafft. Auch bei Grünem Star werden Löcher in die Iris geschossen (= Iridotomie) um einen neuen Abfluß zu bilden. Bei der intrakapsulären Operation wird die Linse im ganzen entfernt. Dies geschah zunächst nur mit der Pinzette. Später löste man erst die Aufhängung der Linse chemisch auf, verwendete zum Fassen Saugnäpfe und einen Eisstab (Kryoextraktion), mit dem die Linse angefroren wurde und leichter zu entfernen war. Im Gegensatz zu ersterer Methode heilt das Auge relativ schneller ab, man kann sofort den Augenhintergrund untersuchen und verdächtige Stellen gegen eine Netzhautablösung rechtzeitig absichern. Nachteilig ist das Fehlen der Abschottung gegen den Glaskörperraum durch eine Membran. So ist diese ursprünglich als großer Fortschritt gefeierte Methode zwar sehr ästhetische, aber auch nicht ohne Nachteil.

Die Korrektur der fehlenden Brechkraft nach der Staroperation erfolgt am einfachsten mit der althergebrachten Starbrille. Ihr Nachteil liegt in der erheblichen Bildvergrößerung für den Patienten, aber auch für den Betrachter sieht das Auge sehr groß aus, weil die Brillengläser einen Lupencharakter haben. Neben der kosmetischen Entstellung wird das Gesichtsfeld deutlich eingeengt, so daß früher das Autofahren nach den strengen Vorschriften mit Starbrille nicht erlaubt war. Neue Techniken haben den Ruf der Starbrille jedoch wieder deutlich verbessert.